Liebe Mitglieder, sehr geehrte SpenderInnen,
seit wenigen Tagen bin ich aus Nepal zurück! Obwohl- so richtig angekommen bin ich hier eigentlich noch gar nicht, denn ich sehe mich immer noch in Rapcha vor meinem Zelt sitzen, die nepalesische Sonne wärmt mir das Gesicht und ich höre noch immer das Lachen der Kinder, die um Chandras Haus tollen. Alleine schon der Gedanke ans Dorf zaubert mir ein Lächeln ins Gesicht. Von vielen wurde ich nach meiner Rückkehr schon gefragt: „Na, wie war´s in Nepal“? Dann fällt es mir sehr schwer, die passenden Wort zu finden, die all das Erlebte beschreiben sollen. Dies hier ist ein Versuch.
Meine siebte Reise ins Dorf war das nun. Meine achte insgesamt nach Nepal. Und jede davon war einzigartig und unvergesslich. Die Anreise via Doha nach Kathmandu war planmässig und verlief reibungslos. Ich landete pünktlich in Kathmandu und Pancha wartete bereits draussen vor dem Flughafengebäude auf mich. Ich freute mich sehr darüber, ihn nach fast einem Jahr wiederzusehen und war ziemlich überrascht, als er mich mit einem Blumenstrauß begrüßte. Nein, das hatte ich ja bisher noch nie erlebt! Auf der Fahrt ins Hotel plauderten wir gleich über Gott und die Welt und als wir so über die Strassen von Kathmandu rumpelten fühlte es sich für mich so an, als ob ich niemals weggewesen wäre. Ich fragte Pancha, wie die letzten Wochen gewesen waren, denn gute Freunde von mir aus dem Zillertal waren mit ihm zuvor durch Nepals Berge gewandert. Kira und Bennis Rückflug nach Europa war erst am Folgetag, sodass wir uns am späten Nachmittag in Kathmandu auf einen ausgiebigen Plausch treffen konnten. Ich freute mich darauf, sie wieder zu sehen und natürlich zu erfahren, wie ihnen das Land, an dem ich so sehr hänge, gefallen hat. Auf meinen Reisebegleiter Raimund Huter aus dem Stubaital, Re:Help Mitglied von Anbeginn, musste ich noch ein wenig warten. Er würde erst am Abend in Kathmandu landen.
Es gab ein großes Hallo, als mich Kira und Benni wenig später in meinem Hotel abholten und wir in ein Restaurant um die Ecke gingen. Begeistert erzählten sie mir von ihren Erlebnissen der letzten Wochen und ich freute mich sehr darüber, dass sie hier eine so tolle Zeit gehabt hatten. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass dies nicht die letzte Reise für die beiden nach Nepal war. Wenig später kam Raimund im Hotel an und somit waren wir für die Abreise Richtung Solukhumbu, welche für den nächsten Tag angesetzt war, komplett. Wir wünschten Kira und Benni eine gute Heimreise und verabschiedeten uns von ihnen.
Am nächsten Morgen fuhren Pancha, Raimund und ich mit dem Jeep über holprige, staubige Strassen bis nach Dhap. Unser Plan war es, bevor wir ins Dorf Rapcha wandern, einen Schlenker auf den Pikey Peak zu machen. Dieser kleine Trekkinggipfel (4065m) bietet einen wunderbaren Aussichtspunkt auf den Himalaya und ist sehr einfach zu erwandern. Die Fahrt nach Dhap war recht langwierig und sehr, sehr anstrengend. Sowohl für den Fahrer, als auch für das Auto und auch für uns. Man wird ordentlich durchgeschüttelt! Es war bereits dunkel, als wir an unserem Zeltplatz angekommen waren. Unser Team aus Rapcha, welches uns auf diesem Trek begleitete, war schon vor Ort und damit beschäftigt, unsere Zelte aufzubauen. Him, Chandra, Djeeben, Nabin und Rabi- Namaste! Wie schön, euch wieder zu sehen! Die Nacht war ruhig und ich lag noch in tiefstem Schlaf, als Him am nächsten Morgen an meinem Zelt rüttelte, um mir eine Tasse Tee zu reichen. Auch Raimund schaute ziemlich verschlafen aus seinem Zelt. Es dämmerte und ein wunderschöner, sonniger Tag brach heran. Wir gingen auf eine kleine Anhöhe oberhalb unseres Zeltplatzes, von der aus man eine grandiose Sicht auf die Berge hatte! Wunderbar! Nach einem ausgiebigen Frühstück wanderten wir die erste Tagesetappe nach Jhapre (2920m). Gemütlich ging es hoch und runter und ständig bekamen wir neue Ausblicke auf die gigantische Bergkulisse des Himalayas. Auch unser Team aus Rapcha genoss die Wanderung- obwohl sie schwer bepackt mit unserer Ausrüstung waren, hüpften sie förmlich vor Freude. Die meisten von ihnen waren noch nie zuvor diesen Wanderweg gegangen und ich freute mich, dass auch ihnen dieser Ausflug gefiel. Tags darauf führte uns der Weg bis zum Pikey Base Camp auf 3640m. Hier oben wehte dann schon ein anderer Wind. Brrr! Etwas verfroren krochen wir abends schnell in unserer Schlafsäcke und genossen die Stille der Berge. Der nächste Tag war wiederum sonnig und so war der Aufstieg zum Pikey Peak eine reine Freude. Mit jedem Schritt näher zum Gipfel erhielten wir unglaublich schöne und sehr eindrucksvolle Aussichten auf die Berge. Oben angekommen war ich glückselig und konnte nicht genug von der traumhaften Kulisse bekommen. Hier waren sie alle versammelt: Mt. Everest, Lhotse, Nuptse, Gauri Sankar, Numbur, Tabuche, Thamserku etc. Ich hätte stundenlang dort sitzen bleiben können, jedoch war unsere Tagesetappe nach Phaplu noch extrem lang und so mussten wir den Abstieg antreten.
Nach stundenlangem Wandern erreichten wir dann am Nachmittag endlich die kleine Stadt Phaplu und schlugen unsere Zelte im Garten des Hotel Everest auf. Die Betreiberin des Hotels ist eine recht dominante Sherpani, die ihren Laden im Griff hat. Mit ihr sollte man es sich nicht verscherzen. Aber Pancha kennt sie gut und eigentlich war sie froh, dass wir in unseren Zelten schlafen wollten, denn so konnte sie unsere reservierten Zimmer an andere Gäste vermieten. Ihre Lodge ist sehr sauber und daher meistens gut gebucht. Als es schon dunkel war, kam unsere Übersetzerin aus Kathmandu in Phaplu an. Samjhana war mit dem Jeep von der Hauptstadt hierher gereist. Sie erzählte, dass es eine recht anstrengende Fahrt gewesen war, die mehr als 15 Stunden gedauert hatte. Oje! Das tat mir leid! Es machte einen riesigen Unterschied, ob man einen Jeep für sich alleine hat (so wie wir auf unserer Fahrt nach Dhap), oder ob man mit einem „öffentlichen“ Jeep fährt. Unter einem öffentlichen Jeep muss man sich das wie mit einem öffentlichen Bus vorstellen. Leute steigen ein, steigen aus, das Gepäck wird auf´s Dach geschnallt, dann muss es wieder vom Dach herunter geholt werden, weil der Fahrgast aussteigt,….so geht das die ganze Zeit und man braucht auch nicht meinen, dass man einen anständigen Sitzplatz hat. Nein, nein. In so einen Geländewagen werden manchmal bis zu 10 Leute reingequetscht.
Am nächsten Morgen frühstückten wir schnell und schon waren wir auf dem mir bereits so vertrauten Weg nach Rapcha. Zuerst ging es steil bergauf bis wir Ratnangi Danda erreichten, dann folgte der recht bequeme Weg entlang dieses Bergrückens und nach einiger Zeit kamen wir am Einstieg des Pfades an, welcher uns ins Dorf führte. Nun ging es stundenlang bergab. Eine kurze Mittagspause an der Lichtung „Vote Karka“ wurde noch eingelegt und die Mannschaft versorgte uns mit heissem Tee und einem köstlichen Mittagssnack. Von hier aus waren es noch gute drei Stunden bis ins Dorf. Doch zuvor mussten wir noch durch den dichten Wald wandern, bis sich endlich die Terrassenfelder von Rapcha zeigten. An Chandras Haus angekommen, wurden wir von seiner Frau Maya Devi sogleich mit dem lokalen Getränk „Roksi“ begrüßt und wir liessen uns erschöft in die Stühle sinken. Nun also Rapcha, die Siebte!
Die Sonne stand schon auf dem Mt.Numbur (6958m), als wir gut ausgeschlafen beim Frühstück sassen. Das erste Meeting unsers Aufenthalts war für den frühen Vormittag angesetzt und so wanderten wir den kurzen Fußweg bis zur Shree Basakhali Secondary School. Jase Rai, Vorsitzender des Schulkomitees, begrüßte uns freundlich und wir besprachen die wichtigsten Themen rund um die Schule und unsere Projekte. Hier ein kurzer Auszug aus dem Protokoll des Meetings:
Jase Rai erklärt, dass die SBBS seit 51 Jahren besteht, 337 Schüler die Schule derzeit besuchen und 17 Lehrer an der Schule beschäftigt sind. Das Ziel und die Hauptausrichtung der Schule lautet: Bildung für jeden! Darum weist die Schule auch die Eltern regelmässig darauf hin, die Kinder unbedingt zur Schule zu schicken. Weiters führt er aus, dass die Region um Rapcha eine landwirtschaftliche Region ist. Die meisten Bewohner sind Bauern, die Obst und Gemüse anbauen und einige Tiere halten. Darum möchte die Schule zukünftig eine Ausbildung im landwirtschaftlichen Bereich anbieten und sucht derzeit bei der Regierung für die Genehmigung des Sektors „Landwirtschaft“ an. Diese wurde bisher noch nicht erteilt. Jase Rai erklärt den Komiteemitgliedern, dass Re:Help den Bau der Mädchenunterkünfte in voller Höhe finanzieren wird und bedankt sich bei Renate Kotz und Raimund Huter sowie allen Mitgliedern und Spendern des Vereins für diese großartige Unterstützung. Es werde nun sehr bald mit dem Bau begonnen, man hat jedoch noch den Besuch der Re:Help Mitglieder abgewartet, um gemeinsam den Grundstein für den Bau zu legen.
Im Anschluß an das Meeting führte uns der nächste Weg gleich zum Kindergarten von Rapcha. Dieser liegt ein Stückchen oberhalb des Schulgeländes und ist über Treppenstufen gut von dort aus zu erreichen. Schon der Schuh-Salat vor der Eingangtür zauberte ein Schmunzeln in mein Gesicht. Im Gebäude herrschte ein buntes Durcheinander und wir waren erfreut, ein neues Gesicht anzutreffen. Eine junge Frau mit einem Babykörbchen auf dem Rücken, welches über ein Stirnband getragen wird, schaute uns etwas scheu entgegen. Wir erklärten ihr kurz, wer wir sind und dann strahlte sie uns an und stellte sich als neue Hilfskraft des Kindergartens vor. Anita Rai machte einen sehr fröhlichen und sympathischen Eindruck. Sie erzählte, dass sie erst seit drei Wochen im Kindergarten von Rapcha arbeitete. Zuvor hatte sie ihr Kind auf die Welt gebracht, dieses ist nun fünf Wochen alt. Da sie zu Hause keine Betreuung für ihren Soh hatte, nahm sie ihn im Körbchen mit zur Arbeit. Ich war sehr froh darüber, dass Narmaya nun endlich eine Unterstützung im Kindergarten hatte. Die Suche nach einer zuverlässigen Mitarbeiterin hatte immerhin fast zwei Jahre gedauert. Natürlich weiss ich, dass Erzieherin Narmaya einen wundervollen Job macht, aber auf Dauer 28 Kinder alleine zu beaufsichtigen ist bestimmt nicht immer einfach. Wie üblich kamen wir nicht mit leeren Händen in den Kindergarten. Buntstifte, Malbücher und ein Lego-Set wurden als Geschenke an die Kinder überreicht und sogleich wurde wild drauf los gemalt. Es ging schon auf Mittag zu, als wir zurück zu unseren Zelten spazierten. Rabi fragte uns, ob wir duschen wollen. Was für eine Frage! Und ob! Das Essenzelt, welches sowieso leer war, wurde dann sogleich zum Wellnesstempel umfunktioniert, eine Plastikplane auf dem Erdboden ausgelegt und ein grosser Eimer mit warmen Wasser daraufgestellt. Zum Entnehmen des Wassers hatte man dann einen kleinen Eimer, womit man sich das Wasser über den Körper goss. In Nepal nennt man diese Dusche „Bucket-Shower“ und ist dort für mich total normal.
Am Nachmittag trafen wir uns mit Manmaya Rai und Sukubari Rai, den Krankenschwestern der Health-Post von Rapcha. Diese kleine Krankenstation liegt eine gute halbe Stunde zu Fuß von der Schule entfernt. Wir klärten die Eckdaten für die Re:Help-Projektreise 2020, bei der Zahnärztin Frau Dr. Elke Alberts, Allgemeinmedizinerin Frau Dr. Julia Rüggeberg und Intensivkrankenschwester Frau Beatrice Wolf die Dorfbewohner kostenlos behandeln werden. Ich bat die beiden um ihre Unterstützung, wenn wir nächstes Jahr im Oktober unser Health-Camp veranstalten. Die beiden freuten sich schon darauf, dass Re:Help mit so geballter „Frauenpower“ ins Dorf kommen und dabei einen unglaublich wichtigen Beitrag für die Gemeinschaft leisten wird. Sie hoffen, vom medizinische Team aus Deutschland so viel wie möglich zu lernen und sich den ein oder anderen Handgriff abzuschauen. Überhaupt war unser geplanter Aufenthalt im nächsten Jahr bereits jetzt in Rapcha in aller Munde, denn ich wurde schon von einigen Dorfbewohnern diesbezüglich darauf angesprochen.
Am nächsten Tag fand nach dem Frühstück ein kurzes Meeting mit dem Kindergarten Komitee statt. Erzieherin Narmaya gab uns ein Update und bedankte sich bei Re:Help für die großartige Unterstützung, welche ihr zugekommen war. Die Fortbildungen in den Bereichen Erziehung und Englisch – beide von Re:Help finanziert – waren ihr eine große Hilfe gewesen und sie versucht, das Gelernte so gut wie möglich umzusetzen. Über die Mitarbeit von ihrer neuen Kollegin Anita war sie sehr froh und sie verstand sich gut mit ihr. Ich erkundigte mich, ob die Bezahlung von staatlicher Seite für ErzieherInnen immer noch bei NPR 6.000,- lag. Alle im Raum bejahten. Meine Güte! Das sind umgerechnet EUR 46,- pro Monat. Wir kamen überein, auch für die nächsten 12 Monate eine Lohnaufstockung in Höhe von NPR 3.000,- monatlich an Narmaya zu bezahlen. Für Anita sah ich im Moment noch keinen Bedarf der Bezuschussung, da sie keine ausgebildete Erzieherin ist und keinerlei Qualifikationen hat. Sie muss sich ihr Wissen in Seminaren und Kursen erst aneignen. Sollten Narmaya oder Anita Rai Unterstützung im Sinne von Fortbildungen und Trainings benötigen, wird Re:Help diese Kosten tragen.
Nach dieser Besprechung folgte ein ganz besonderer Termin, auf den ich schon sehr gespannt war. Ich hatte die Frauen von Rapcha zum ersten „Women´s Meeting“ eingeladen und hoffte sehr, dass einige der Dorffrauen dazu erscheinen würden. Etwas nervös ging ich zum Klassenraum, in dem das Treffen statt fand. War überhaupt jemand gekommen? Vielleicht interessierte es ja auch keinen? Zig Gedanken gingen mir duch den Kopf. Ich dachte mir: „Naja, und wenn nur zwei Frauen kommen, dann ist es auch gut. Dann machen wir halt das Beste daraus.“ Als ich den Raum betrat blieb ich wie angewurzelt stehen! Der gesamte Raum war VOLL mit den Dorffrauen von Rapcha! Es waren mehr als 35 erschienen und ich brauchte erst einmal einen kurzen Moment, um das zu realisieren. Wahnsinn! Ich war sprachlos! Kurz rang ich um Fassung und dann ging das Meeting auch schon los. Übersetzerin Samjhana war mindestens genauso nervös wie ich, aber das legte sich bald.
Ich stellte mich vor, begrüßte die erschienen Frauen und bedankte mich für das zahlreiche Erscheinen sowie das mir entgegengebrachte Vertrauen. Ich freute mich sehr darüber, dass so viele sich Zeit genommen haben, um beim allerersten Frauenmeeting in der Geschichte von Rapcha teilzunehmen. Ich versicherte allen Anwesenden, dass alles, was bei diesem Treffen besprochen wird, vertraulich behandelt wird und ich hoffte, dass die Frauen keine Scheu hatten, offen über die Probleme der Frauengesundheit zu sprechen. Nun bat ich alle darum, sich kurz mit ihrem Namen vorzustellen. Anschliessend ergriff Manmaya Rai das Wort. Als Krankenschwester der Krankenstation von Rapcha war sie jedem in diesem Raum bekannt und sie notierte die Daten über die Beschwerden. Anfangs redeten die Frauen nur sehr zögerlich über ihre Gesundheitsprobleme. Krank oder nicht voll leistungsfähig zu sein ist in der ländlichen Region von Nepal ein Zeichen der Schwäche. Jedoch wurde die Stimmung beim Meeting immer offener und langsam legen die Dorfbewohnerinnen ihre Scheu ab und erzählten teils unter Tränen, an welchen Beschwerden sie litten. Die Krankheitsbilder zeigten sich von leichten Menstruationsbeschwerden über Harnwegsinfektionen, Depressionen oder schweren Geburtstraumata. Eine Teilnehmerin erzählte, dass sie ihr Kind auf dem Weg von Lukla nach Rapcha zur Welt gebracht hat. Sie war zu Fuß (von Lukla nach Rapcha existiert keine Strasse) unterwegs und wollte es rechtzeitig zur Geburt bis nach Rapcha geschafft haben, als unterwegs die Wehen einsetzten. Sie brachte ihr Kind am Wegesrand zur Welt. Die Leiden der Dorffrauen waren teilweise enorm, ganz besonders bei denen, die bereits ein oder mehrere Kinder zur Welt gebracht hatten. Durch die anstrengende Arbeit auf den Feldern, bei der auch schwere Lasten getragen werden müssen, zeigten sich stark ausgeprägte Krankheitsbilder und Beschwerden. Diese Frauen erhielten keine gynäkologische Betreuung vor Ort, einen Arzt gab es in Rapcha nicht und der nächste Frauenarzt befand sich in Kathmandu. Die Reise in die Hauptstadt ist lang und beschwerlich und kaum eine der Dorfbewohnerinnen konnte sich eine ärztliche Behandlung leisten, da alles aus der eigenen Tasche bezahlt werden musste und die meisten Frauen in sehr ärmlichen Verhältnissen lebten. Nachdem alle Frauen mir ihre Beschwerden anvertraut hatten, beendeten wir das Treffen mit einem Gruppenfoto. Ich versprach den Dorfbewohnerinnen, dass Re:Help ihre Stimme nun gehört hatte und ich mir Gedanken zu diesen Themen machen müsste.
Nachdenklich ging ich zu meinem Zelt zurück. Ich hatte so viel Vertrauen und Offenheit der Dorffrauen erfahren dürfen und war sehr froh darüber, dass ich dieses Treffen ins Leben gerufen hatte. Allein schon die Möglichkeit, den Frauen aus dem Dorf eine Stimme zu geben, hatte viel Positives bewirkt. Aber dabei konnte ich es nicht belassen. Diese Frauen haben Hoffnung in mich gesetzt. Und wer Menschen Hoffnung gibt, der trägt Verantwortung. Mein Schlaf in der folgenden Nacht war sehr unruhig und immer wieder sah ich vor meinem geistigen Auge die Tränen der Frauen fliessen, als sie mir von ihrem Leid berichteten. Zugleich fühlte ich mich gesegnet, dass ich in einem Land leben darf, in dem ärztliche Versorgung nicht nach dem Geldbeutel fragt. In dem es kompetente, medizinische Betreuung rund um die Uhr gibt. Ich trug also alles Gesagte und auch die Emotionen mit zurück nach Deutschland. Gemeinsam mit der Dorfgemeinschaft wird sich der Verein diesem wichtigen Thema widmen mit dem Ziel, der weiblichen Bevölkerung von Rapcha eine entsprechende Hilfestellung zu bieten.
Am nächsten Tag fand die Grundsteinlegung für das Girls Hostel statt. Es war ein recht sonniger Tag mit nur wenigen, tiefen Wolken als die beiden Dorfpredigern den Grundstein für die neue Mädchenunterkunft der Shree Basakhali Secondary School segneten. „Wir sind sehr glücklich darüber, dass Re:Help den Bau des Mädchenheims finanziert und somit ein weiterer, wichtiger Schritt für die Zukunft dieser Schule gesetzt wird. Wir können unsere Dankbarkeit kaum in Worte fassen. “, meinte Pancha in seiner Rede bei der feierlichen Zeremonie. Neben den lokalen Politikern, den Schuldirektoren der benachbarten Schulen und der regionalen Presse waren auch alle Schüler und Lehrer der SBSS sowie einige Dorfbewohner zur Feier erschienen.
Am nächsten Tag hiess es Abschiednehmen von Rapcha. Auch dieses mal ist mir die Zeit im Dorf wieder viel zu schnell vergangen und ich sass ein wenig wehmütig über meinem Frühstückskaffee. Die Taschen waren gepackt, die Zelte abgebaut. Jedoch hatten wir ein bisschen Zeit rausgeschlagen können, in dem wir die Strecke von Rapcha nach Phaplu mit dem Geländewagen zurücklegen wollten. Dies sollte in ca. fünf Stunden machbar sein. Das war für mich eine Premiere, denn ich bin die Strecke bisher immer zurückgelaufen und ich hatte einige Bedenken, denn a) sind viele Jeep-Fahrer in Nepal „Harakiri“ unterwegs b) erschien mir die „Strasse“ etwas zu grob in den Hang gehauen und ich hatte Angst vor Steinschlag oder einem Hangrutsch und c) hängte ich sehr an meinem Leben! Aber gut, man muss es ja einmal erlebt haben, um mitreden zu können. Zuvor kamen jedoch noch alle uns bekannten Gesichter, um uns eine gute Reise zu wünschen. Unzählige Katas (Glücksschals) wurden uns um den Hals gelegt und Narmaya bat mich dringend, sie nicht zu vergessen und bald ins Dorf zurück zu kommen. Wir überreichten noch die Trinkgelder und mit dem Re:Help-Logo bestickte Wollmützen an unser Team, welches uns auch während der Zeit im Dorf bestens betreut hatte. Him bekochte uns tagtäglich mit schmackhaften Speisen – er ist wahrlich ein Meister der Töpfe und Pfannen. Der Fahrer des Geländewagen wartete bereits auf uns und so mussten wir dann endgültig Namaste sagen.
Ich weiss jetzt gar nicht, wie ich die Strasse von Rapcha nach Phaplu beschreiben soll. Strasse trifft keinesfalls zu. Fahrweg vielleicht schon eher. Um es mit den Worten von Raimund Huter zu sagen. „Jeder Forstweg bei uns zu Hause ist besser!“ Ich sass zusammen mit einem anderen Fahrgast vorne auf dem Beifahrersitz und hatte den Tacho ziemlich gut im Auge. Die erreichte Höchstgeschwindigkeit belief sich auf maximal 30km/h. Grosse Steine, tiefe Schlaglöcher, viel Geruckel und steile Abhänge – ich denke, ich muss nicht mehr erzählen. Naja, auf jeden Fall war der Fahrer sehr vorsichtig und wir kamen am Nachmittag wohlbehalten in Phaplu an und wir bezogen unser Quartier im Hotel Everest.
Unser Rückflug von Phaplu nach Kathmandu war tags darauf für den Vormittag angesetzt. Die Uhrzeit spielt hier weniger eine Rolle, denn der Flieger kommt, wenn er kommt. Und so warteten wir vor dem kleinen Flughafengebäude und genossen die warmen Sonnenstrahlen. Es dauerte gar nicht so lange und schon sassen wir in einer recht ramponierten Maschine der Nepali Air auf dem Flug nach Kathmandu. Sie trug uns weg von Phaplu, weg von Rapcha, weg vom Solukhumbu. Weg von den Menschen, die ich ins Herz geschlossen hatte. Aber auch diesmal dachte ich mir: „Es ist nur ein Abschied auf Zeit. Ich komme wieder. Und dann folgt Rapcha, die Achte!“
Die Reisekosten aller Beteiligten sowie das Honorar von Übersetzerin Samjhana wurden wie immer mit privaten Mitteln finanziert.